Samstag, 30. April 2016

Golden week: Wenn alle frei haben, nur ICU Studenten nicht.

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere Leser noch an die Blog-Beiträge aus der Silver week? Wenn nicht, macht auch nichts. Die Silver week war in meinem ersten Semester, eine Woche, in der mehrere Feiertage zusammen lagen und alle arbeitsgeplagten Japaner und ferienreifen Studenten unterwegs und am Reisen waren.
Die Golden Week ist im Prinzip das gleiche; mehrere nationale Feiertage liegen zusammen, sodass die meisten Firmen und Arbeitgeber ihren Angestellten die gesamte Woche freigeben. Dasselbe gilt für Universitäten, ICU ist eine unlöbliche Ausnahme, ich kriege nur einen Teil der Woche frei. (Was daran liegt, dass ICU insgesamt mehr und längere Ferien hat als andere Universitäten, also sollte ich mich eigentlich nicht beschweren :D.)
Funfact am Rande: Die Bezeichnung "Golden" week hat keine besondere mystische, auf Traditionen zurückgehende Bedeutung, sondern wurde vom Direktor einer Radio/Film-Gesellschaft eingeführt, weil in dieser Zeit die Verkaufs- und Hörerzahlen massiv ansteigen, also eine "goldene" Zeit für Unternehmen.

Die Feiertage, die in der golden Week liegen, sind die folgenden:
Showa Tag (Showa no Hi 諸和の日),
Verfassungs-Gedenktag (Kenpo Kinnenbi 憲法記念日),
Tag des Grüns (Midori no Hi みどりの日)
und Tag des Kindes (Kodomo no Hi こどもの日).

Im Anschluss folgen kurze Erklärungen und historische Hintergründe zu den einzelnen Feiertagen, weil mein innerer Geschichtsstudent gerade mit mir durchbrennt. Wer also etwas völlig unkultiviertes Lesen will, muss warten, bis ich den Bericht von meinem Kurztrip in der nächsten Woche hochlade :)

Showa Tag (29.04): Dieser Tag ist im Bild noch als kaiserlicher Geburtstag angeführt. Kaiser Hirohito regierte von 1926-1989, diese Zeit wird als Showa-Periode bezeichnet, Kaiser Hirohita auch als Showa-Kaiser (momentan befindet sich Japan übrigens in der Heisei-Periode). Bis 1989 wurde der 29.04 als kaiserlicher Geburtstag gefeiert, nach dem Tod des Kaisers bis 2007 als Tag des Grüns, und wurde letztendlich in Showa-Tag umbenannt.
Kaiser Hirohito selbst ist/war eine umstrittene Persönlichkeit, da in seine Regierungszeit verschiedene kritische Ereignisse fallen und seine Beteiligung an diesen teilweise umstritten ist. Unter seiner Regierung ging Japans erste Demokratie zu Ende, fand die Invasion von Manchuria statt, erlebte der Japanische Imperialismus seinen Höhepunkt und begann Japan Krieg in Asien. Außerdem fallen in seine Regierungszeit der zweite Weltkrieg, die Nachkriegszeit und das Japanische Wirtschaftswunder. In Showa-Tag wurde dieser Tag benannt, um nicht bloß einem Kaiser zu gedenken, sondern um zur Reflektion über eine der turbulentesten Epochen in der Japanischen Geschichte anzurühren.

Bildergebnis für kenpo kinenbiVerfassungs-Gedenktag (03.05): Am 03.05.1947 trat in Japan die neue Verfassung nach dem zweiten Weltkrieg in Kraft. Sie wurde aus dem Englischen übersetzt und der Japanischen Regierung von den Alliierten mehr oder weniger aufgedrückt. Seitdem hat sich an der Verfassung nicht viel geändert, Präsident Abe versucht das  gerade zu ändern, mit der Begründung, Japan müsste endlich seine "eigene" Verfassung haben. Besonders stört ihn wohl der Artikel 9, der als "no war paragraph" bekannt ist und u.a. jegliche aggressiven kriegerischen Handlungen seitens Japans verhindern soll.

Tag des Grüns (04.05): Dieser Tag lag ursprünglich auf dem 29.04, um den Geburtstag des Kaisers, der Pflanzen liebte, feiern zu können, ohne seinen Namen direkt erwähnen zu müssen. Nachdem der Tag heute auf dem 04.05. liegt, hat er eigentlich keine besondere Bedeutung mehr und verlängert einfach nur die Ferien :) Und man freut sich und ist dankbar für die Natur.






Tag des Kindes (05.05): Bevor Japan zum gregorianischen Kalender wechselte, wurde dieser Tag am 5ten Tag des 5ten Monats des chinesischen Kalenders gefeiert. Das Japanische Wort für Kind Kodomo beginnt mit der Silbe Ko, mit der auch die Japanische Zahl 5 Go/Ko beginnt, deshalb der 05.05. Früher war dies ein Tag, an dem nur Jungen gefeiert wurden, heute wird die Persönlichkeit, Einzigartigkeit und Fröhlichkeit von Jungen und Mädchen gleichermaßen zelebriert. Traditionell werden an diesem Tag Flaggen in Karpfenform aufgehängt, ein Karpfen für jedes Familienmitglied (einer chinesischen Legende werden Karpfen, die flussaufwärts schwimmen zu Drachen; genauso starkt sollen Kinder auch irgendwann mal werden).

Von oben nach unten: Vater (schwarz), Mutter (rot), Kind (blau)




Mittwoch, 13. April 2016

Kirschblüten-Hanami: cherry cracy

Oh je, sieht aus, als wäre ich während der Ferien richtig faul gewesen, so gut wie nichts geschrieben... Dann ist es ja gut, dass diese Woche mein letztes Trimester angefangen hat und ich wieder eine Ablenkung von der Uni brauche :D
Ich erspare euch weitere Urlaubsberichte, sondern schreibe diesmal über ein ziemlich japanisches Event: Kirschblüten-Hanami.

Bildergebnis für gullideckel tokyo
Gullideckel in Tokyo 
Zuerst der sachliche Teil: Ich glaube, ich hatte mal im Kyoto-Bericht erwähnt, dass während ich da war, unheimlich viel los war, weil die Zeit der Blätterfärbung war und plötzlich alle Japaner rumreisten. Es gibt über das Jahr verteilt verschiedene Traditionen, in denen mit den Jahreszeiten verbundene Wechsel in der Natur zelebriert werden, neben der Blätterfärbung im Herbst gehört die Kirschblüte im Frühling dazu. Die Kirschblüte ist eines der Symbole in der japanischen Kultur, wegen ihrer Schönheit, aber auch ihrer relativ kurzen Blütendauer, steht sie sowohl für den Aufbruch/ Frühlingsbeginn als auch für Vergänglichkeit. Sakura ist die offizielle Blume der Stadt Tokyo, u.a. zu erkennen daran, dass sie auf Gullideckeln und an Polizeiuniformen angebracht ist.

Jetzt der verrückte sachliche Teil: Die Kirschblüte dauert ungefähr 1 1/2 Wochen, im Süden von Japan beginnt sie und "wandert" dann weiter nach Norden, also von der Insel Kyushu bis Hokkaido. Die meisten Japaner haben sehr wenige Urlaubstage und müssen sich, um an einem Hanami teilnehmen zu können, frei nehmen. Deswegen gibt es einen "Sakura-Report" in Japan, in dem die Blüte der Sakura vorhergesagt und eine "Sakura-Front" simuliert wird. Außerdem gibt es, sobald die ersten Bäume blühen, Livestreams und TV-Shows. Und dann bricht die Hölle los.

Ich war gerade aus dem Urlaub wieder da, als in Tokyo die Kirschblüte begann. Und ich hatte das Gefühl, als wären alle Japaner und Touristen, die ich in Kyoto zurückgelassen hatte, mit mir zurück gereist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es so etwas wie Sakura-Pilger geben muss, anders kann ich mir die Menschenmassen nicht erklären. Allerdings habe ich die Kirschblüte selber unterschätzt. Vor der Kirschblüte dachte ich: "Ja, das wird sicherlich ganz nett. Ein paar hübsche Bäume, nett anzusehen, einen Kirschbaum hatten wir auch im Garten, hat mir ganz gut gefallen..."

Überschaubare Anzahl von Kirschblüten.
Was ich nicht bedacht hatte: Gefühlt halb Japan ist mit Kirschbäumen gewachsen! Es gibt Parks, die nur(!) mit Kirschbäumen bepflanzt sind. Da stehen dann nicht ein, oder zwei, oder vielleicht auch fünf Bäume nebeneinander, sondern über Hundert! Und sie blühen (fast) alle gleichzeitig! Und sind einfach nur schön, und überall: Entlang von Flüssen, an Straßen, auf meinem Campus, mitten in der Pampa, überall! Mittlerweile sind alle Kirschen verblüht, und obwohl Tokyo noch voller war als sonst, hätte ich die Kirschbäume am liebsten in der Zeit eingefroren... Die Hanami-Zeit war die Zeit, in der ich mir am meisten gewünscht habe, Leute rüber beamen zu können. Ich habe Parks und Orte gesehen, die so schön waren, dass ich fast geheult hätte (ersatzhalber habe ich geflucht, was hier zum Glück nur wenige Leute verstehen), die ich euch unheimlich gerne gezeigt hätte und die hoffentlich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt sind. Gott nochmal, Emotionen runterschrauben, bitte. Bilder werden dem Spektakel nicht wirklich gerecht, aber sind wahrscheinlich doch besser zur Anschauung als meine Aufsätze.

1.000.000.000 Kirschblüten? Hauptstraße meines Campus :)
Menschenmassen im Yoyogi-Park. Wunderbare Vorlage für Wimmelbilder, aber 16+ wegen Alkoholverzehrs und seltsamen Gesängen. 

Kirschblüten an einem Fluss, dessen Namen ich vergessen habe.